…um die Analogie des letzten Beitrages zum Thema des griechischen Schuldendramas wieder aufzugreifen. Warum? Heute wurde seitens der Eurogruppe das Reformpapier der griechischen Regierung durchgewunken. Das war an und für sich zu erwarten, denn Griechenland soll ja auf jeden Fall, unbedingt und 1000%ig sicher im Euro gehalten werden.
Nur über das „Wie“, das jetzt zustande kommt, kann man irgendwie nur den Kopf schütten. Daher folgt nun eine kleine Kommentierung der geplanten Maßnahmen, welche die Griechen nun ganz, ganz sicher umsetzen wollen (vollständige Quelle auf SPIEGEL-Online):
1) Die Mehrwertsteuer wird reformiert. Es werden robuste Maßnahmen ergriffen, um die Steuererhebung zu verbessern und Steuerflucht zu bekämpfen. Dabei sollen elektronische und technologische Mittel zum Einsatz kommen. Die Reformen zielen darauf ab, die Steuererträge zu maximieren, ohne die soziale Gerechtigkeit negativ zu beeinflussen. Unangemessene Steuerrabatte sollen wegfallen.
Aha. Was genau sind „robuste Maßnahmen“? Stehen dann die Drückerkolonnen bei säumigen Steuerzahlern vor der Tür? Und ich dachte, gerade an diesem Problem hätten die Griechen bereits die letzten Jahre hart gearbeitet? Schließlich wollte Deutschland sogar einmal zu Ausbildungszwecken deutsche Steuerbeamte nach Athen schicken, was die Griechen allerdings ablehnten (s. hier).
2) Auch die Einkommensteuer wird reformiert
Tatsächlich? Wie soll diese Reform denn aussehen?
3) Die Definition für den Steuerbetrug wird ausgeweitet, die steuerliche Immunität wird aufgehoben
Diese Definition muss bislang sehr, sehr klein gewesen sein, schließlich wurden bislang Steuervergehen in Griechenland offenbar nicht sehr streng bestraft, sonst hätte es wohl nicht so viele säumige Zahler (bis heute) gegeben.
4) Griechenland wird die Steuerverwaltung und das Zollwesen modernisieren
Ich meine, dass ich diesen Punkt vor vier- bis fünf Jahren schon einmal auf der griechischen To-do-Liste gesehen habe… und das ist bis heute nicht vorangekommen bzw. erledigt?
5) Griechenland wird die öffentliche Finanzwirtschaft verbessern, insbesondere die Kontrolle des öffentlichen Haushalts
Potzblitz! Also, auf diese Idee wäre ich ja nie gekommen, das man da etwas verbessern könnte!
6) Griechenland verpflichtet sich, die Sozialsysteme zu reformieren, insbesondere das Rentensystem
Okay, vielleicht eine gute Idee… was soll geändert werden?
7) Griechenland will eine moderne öffentliche Verwaltung. Das Land wird den Kampf gegen die Korruption zur Chefsache erheben
Das heißt dann also im Umkehrschluss, dass dem bislang nicht so war.
8) Reduziert werden: die Zahl der Ministerien wird (von 16 auf zehn), die Zahl der Regierungsberater, die Lohnzuschläge und betrieblichen Sozialleistungen für Minister sowie für Mitglieder des Parlaments und hohe Regierungsbeamte
Hier wird wenigstens eine konkrete Zahl genannt! Und eigentlich sogar ein Vorschlag, den man auch auf Deutschland anwenden könnte.
9) Die gesetzlichen Richtlinien zur Gründung politischer Parteien werden gestrafft
…was auch immer das genau bringen soll. Weniger staatliches Geld für politische Parteien?
10) Umgehend in Kraft gesetzt werden die gegenwärtigen (zurzeit ruhenden) Gesetze, die Einnahmen aus der Medienbranche regulieren: Es wird sichergestellt, dass Medien die staatlichen Marktpreise für genutzte Frequenzen zahlen
Hier kann ich nicht wirklich einschätzen, ob das dem griechischen Staat viel Geld einbringen wird. Solide Grundlage für die Entscheidung der EU-Gremien!
11) Das Raster der Gehaltsstufen im öffentlichen Dienst wird reformiert
Ja… schön… spart das jetzt Ausgaben ein oder werden diese dadurch eher größer?
12) Griechenland verpflichtet sich, zügig die Gesetzgebung für die Rückvergütung von Steuern und Sozialversicherungsrückständen zu verbessern
„Rückvergütung von Steuern“, darunter stelle ich mir das, was man durch die Einkommenssteuererklärung zurückerhält, vor, aber sicher bin ich mir nicht. Diese Reform bringt genau was…?
13) Griechenland will niedrige Gehaltsstufen weniger belasten
Von der Idee her gut, würde ich auch gerne in unserem Land sehen wollen. Kostet wieviel…?
14) Die Methoden des finanziellen Vollzugs sollen verstärkt werden, darunter auch die legalen Rahmenbedingungen, um nicht bezahlte Steuern zu erheben
Eigentlich wie Punkt 3), nur anders formuliert. Und wurden bis jetzt nicht bezahlte Steuern auf illegalem Weg erhoben? Oder warum sonst betont man diesen Punkt?
15) Der Bankensektor wird reformiert. Griechenland setzt sich für Banken ein, die auf Grundlage gesunder, branchenüblicher Prinzipien arbeiten
Wieder der Umkehrschluss: Bislang haben die griechischen Banken offenbar eben nicht auf diesen Grundlagen gearbeitet.
16) Der griechische Finanzstabilitätsfonds wird voll ausgeschöpft. In Zusammenarbeit mit der Bankenaufsicht SSM („Single Supervisory Mechanism“), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Kommission wird sichergestellt, dass der Fonds die Stabilität des Bankensektors gewährleistet
Erstaunlich, dass dieser Bankensektor nach all den Milliarden, die in ihm bislang versenkt wurden, anscheinend immer noch nicht stabil ist.
17) Griechenland wird sich um notleidende Kredite kümmern – auf eine Weise, die die Kapitalisierung der Banken berücksichtigt
Erstmal nachschlagen, was ein „notleidender Kredit“ ist (s. hier)… okay. Also noch eine weitere Maßnahme zur Stabilisierung des Bankensektors, der anscheinend immer noch ziemlich im Eimer ist.
18) Das Insolvenzrecht wird modernisiert
Okay… was wird geändert und was soll es bringen? Danke für die Auskunft…
19) Um Investitionen in Schlüsselsektoren anzuziehen, verpflichten sich die griechischen Behörden, die Privatisierungen so lange fortzuführen, bis sie komplett vollzogen sind
Das ist ein Punkt, den ich schon seit Beginn der Krise gehört habe, und der nie wirklich schnell voran ging. Warum sollte das ab jetzt auf einmal der Fall sein?
20) Einrichtungen des Gemeinwohls werden nach Maßgabe der nationalen Gesetze und EU-Richtlinien geschützt – ebenso wie Dienste der öffentlichen Verwaltung, die durch private Firmen durchgeführt werden
Wovor werden sie denn geschützt? Zu hohen staatlichen Abgaben?
21) Im Bereich der Arbeitsmarktreformen verpflichtet sich Griechenland, mustergültige Lösungen zu verwirklichen, die sich in der EU bewährt haben. In diese Prozesse soll die Expertise der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einfließen
Gute Idee, jetzt damit anzufangen. Naja, sehr viel höher kann die Arbeitslosigkeit in Griechenland kaum werden.
22) Maßnahmen der vorübergehenden Beschäftigung für Arbeitslose werden ausgeweitet und neu entwickelt – mit dem Ziel, die Fähigkeiten von Langzeitarbeitslosen zu verbessern
Diese Idee finde ich gut, wenn mal jemand beschreiben würde, wie diese Maßnahmen konkret aussehen und was sie bewirken sollen.
23) Marktwirtschaft und Handel sollen gestärkt werden. Unter anderem wird Griechenland Wettbewerbsbarrieren abbauen und sich dafür an Richtlinien der OECD orientieren
Wunderbar. Schade, dass Griechenland nicht so allzuviel zum Handeln hat. Und wie stelle ich mir eine „Stärkung der Marktwirtschaft“ vor?
24) Die griechische Wettbewerbskommission HCC (Hellenic Competition Commission) wird gestärkt
Okay. Was auch immer das bringen soll.
25) Die Bürokratie soll nach OECD-Richtlinien abgebaut werden
Bei vielen Ideen hier fragt man sich „Wieso erst jetzt und nicht schon vor fünf Jahren?“
26) Griechenlands Regierung wird das staatliche Rechtssystem reformieren
Dies bezieht sich meiner Meinung nach auf die Steuergesetze. Mal schauen, ob sich da wirklich etwas tun wird.
27) Die griechische Regierung wird Nothilfen gegen die in jüngster Zeit stark gestiegene Armut auf den Weg bringen
Dies sei den unverschuldet in Not geratenen Griechen gewünscht, allerdings fragt man sich, was hierdurch für Ausgaben (so hart sich das liest) entstehen werden.
28) Die öffentliche Verwaltung wird reformiert, der Kampf gegen Bürokratie und Korruption ausgeweitet (beispielsweise soll eine sogenannte Citizen Smart Card ausgegeben werden, die als Identitätsnachweis genutzt werden kann, etwa im Gesundheitssystem)
Böse gelesen, heißt das übersetzt, dass trotz der katastrophalen Situation der letzten Jahre die Griechen weiter fröhlich den eigenen Staat betrogen haben.
29) Das Pilotprogramm für den gesetzlich garantierten Mindestlohn soll überprüft und künftig landesweit ausgebaut werden
Ich verstehe irgendwie nicht, wie ein gesetzlicher Mindestlohn dazu beitragen soll/kann, die sieche griechische Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Vielleicht erklärt es mir ja jemand von den Mitlesern hier später, danke.
30) Die Regierung stellt sicher, dass ihr Kampf gegen die humanitäre Krise keine negativen Folgen für das Steueraufkommen hat
Aha. Die Quadratur des Kreises also.
Fazit: Dieses sogenannte „Reformpapier“ der griechischen Regierung ist vollkommen unkonkret. Es werden keine klaren Ziele und Vorgaben definiert, man weiß also generell überhaupt nicht, was mit den genannten Maßnahmen überhaupt erreicht werden soll. Für diese Wischi-Waschi-Formulierungen werden jetzt also weitere Milliarden nach Griechenland geschickt. Nach wie vor ist für mich auch nicht erkennbar, wie auf diese Art Griechenland je wieder auf die Beine kommen soll. Viele dieser Maßnahmen stellen zudem offenbar Fortsetzungen von Vorgaben aus der Vergangenheit dar, die sich entweder als wirkungslos erwiesen haben oder von den Griechen nicht umgesetzt worden waren – aus welchen Gründen auch immer.
Da die Griechen offenbar mit diesem Ansatz durchkommen werden, und der deutsche Bundestag es natürlich auch brav abnicken wird, erkläre ich Griechenland hiermit zum „Sieger durch technischen K. O.“ über die restliche EU! Respekt!