Im Schließfach (22.02.2021)

Es ist Montag, es ist das Jahr 2021, es ist Ende Februar, es ist die 10. Woche des deutschlandweiten Lockdowns, also ein guter Tag, um mal wieder einen Kommentar zur Lage der Nation zu schreiben.

Inzwischen sitzt der Frust bei mir über das Weggesperrtsein-Gefühl zunehmend tief. Lange Zeit habe ich die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung mitgetragen. Das änderte sich abrupt an dem Tag, an dem die Bundeskanzlerin auf einmal die Notwendigkeit sah, zu verkünden, dass der Inzidenzwert der Corona-Neuinfektionen, auf den es ankomme, ab sofort nicht mehr bei 50 sondern nun bei 35 liegen müsse. Ewigkeiten lange wurde die 50 zur „heiligen Zahl“ erklärt, auf die es ankäme, da ab diesem Wert die Gesundheitsämter wieder in der Lage dazu seien, die Fälle nachzuverfolgen.

Der lange Lockdown hatte Wirkung gezeigt, die Inzidenz näherte sich der 50 an, man fing an, Hoffnung zu schöpfen. Und dann das! Inzwischen verdichtet sich bei mir die Vorstellung eines Deutschlands, das, sollte es je aus dem Lockdown herauskommen, zunächst einmal ohne große Teile des Einzelhandels, der Hotels und auch der Gastronomie wird auskommen müssen, aus dem einfachen Grund, weil es diese Branchen dann im Wesentlichen nicht mehr geben wird. Ursache hierfür ist neben dem Lockdown auch die offenbar viel zu langsam ablaufende staatliche Unterstützung, die viel zu lange braucht, um bei den bedürftigen Betrieben anzukommen.

Von Anfang des aktuellen Lockdowns war es wieder mal nicht ersichtlich, wieso z. B. Restaurants schließen mussten. Mir ist bis heute keine Studie bekannt, die nachgewiesen hat, dass es dort zu einer besonders starken Verbreitung des Virus gekommen wäre. Dasselbe gilt für den Einzelhandel oder Hotels. Überall wurden aufwändige und oft auch teure Schutzkonzepte installiert, wohingegen die Busse und Bahnen weiterhin ohne Einschränkung fahren dürfen. Es ist einfach alles nur noch bekloppt.

Auch das Impfen klappt vorne und hinten nicht, angefangen bei der mangelnden Verfügbarkeit der Impfstoffe bis hin zu der Fähigkeit, diese auch an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Hier versagt der deutsche Staat nahezu vollständig, nichtmal die Terminvergabe klappt ohne Probleme.

Und natürlich die Kirsche auf dem Eis: Das Ganze wurde ja, wie es „uns“ immer und immer wieder eingetrichtert wurde, gemacht, um die vulnerablen Gruppen, vor allem diejenigen der Alten, vor dem Corona-Virus zu schützen. Was geschah? Gerade dort schnellten ab Oktober die Todeszahlen nach oben. Warum? Weil die Politik es den ganzen Sommer über nicht als vorrangig ansah, die Alten- und Pflegeheime „Corona-sicher“ zu machen. Da hat sich dann natürlich auch der Lockdown richtig bezahlt gemacht…

Fazit: Fast ein Jahr Corona liegt hinter uns. Die Bundesregierung hat inzwischen einen Fanatismus entwickelt, die heilige Inzidenz am besten auf 0 zu drücken, um es den anderen Staaten mal wieder zu zeigen, wie haushoch überlegen wir doch mit unseren Methoden den anderen sind. Ergebnis: Außer Lockdown fielen Merkel & Co. nicht wirklich sinnvolle Maßnahmen ein. Ganze Branchen stehen dafür im Gegenzug vor dem Aus, hunderttausende von Menschen werden ihre Arbeitsplätze verlieren. Und der Starrsinn der Bundesregierung wird wohl dazu führen, dass das ganze Land bis September mehr oder weniger im Schließfach sitzen wird.

Beim derzeitigen Impftempo wären die 82 Millionen Einwohner dieses Landes übrigens irgendwann im Jahr 2024 geimpft. Das macht doch Hoffnung… langsam reicht es. Selbst ich fühle mich inzwischen eingesperrt im eigenen Land.

Es wurde immer seitens der Wissenschaft gesagt, Corona ist gekommen, um zu bleiben. Da erscheint dann ein Dauer-Lockdown auf ewig, sagen wir mal, keine besonders gute Idee zu sein. Sinnvolle Strategien, wie man mit dem Virus leben kann, sind gefragt, ausrotten ist unmöglich. Das sollte vielleicht auch mal jemand Merkel sagen…

Achja, und wenn selbst Länder wie Marokko und Chile z. T. deutlich schneller mit dem Impfen sind, sollte man sich vielleicht mal hinterfragen, ob man alles richtig gemacht hat.

…von Kleinigkeiten wie „Maßnahmen demokratisch legitimieren“ zu lassen rede ich da schon gar nicht mehr… gab´s da nicht mal einen Bundestag für?

Wenn man die Nachrichten aus England heute so liest, könnte man weinen („Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen bis Juni“).

Veröffentlicht von

kirscho

Geb. 11.03.1980 in Herten, lebt in Herten, Geograph, Wissenschaftler, Denker, Streiter, Grübler, politikinteressiert, weltoffen. Liest gerne viel.

Ein Gedanke zu “Im Schließfach (22.02.2021)”

  1. Hallo kirscho.
    Schön, mal wieder was von Dir zu hören … bzw. zu lesen. Ich hoffe, Du hast den Schicksalsschlag gut überstanden?!?

    Nun aber zum Thema:
    Auch ich fühle mich nicht ganz wohl bei dem gesamten Hin und Her. Ich gebe Dir auch Recht: das mit dem nun genannten (neuen) Wert von 35 ist nicht nur frustrierend. Aber ehrlich: Irgendwie verstehe ich die Aufregung nicht so ganz. In § 28a (Besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019) steht in Absatz 3:
    „Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen … sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen …. Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 … sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen …“
    Die Frage bleibt nur, was sind ‚umfassende‘ und was sind ‚breit angelegte‘ Schutzmaßnahmen? … und besonders was ist der Unterschied?

    Ich habe von Anfang an den Kommunikationsmangel hervorgehoben. Herr Drosten hat doch mit seinem „Corona Udate“-Podcast mehr kommuniziert … besser und vor allen Dingen sachlicher alles dargestellt als es das RKI getan hat. Ebensolches gilt für die Bundesregierung. Fehler sind auch hier zu bemängeln. So hat die Bundesregierung, meiner bescheidenen Meinung nach, zu wenig Geld in die Medikamentenforschung gesteckt und sich mehr auf einen Impfstoff versteift, womit sie wohl zu viel Hoffnungen geweckt hat. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß das unglückliche Verhalten mit Sicherheit zum Frust beiträgt.

    Aber mal andersherum gefragt – um zum Thema: „Lockdown oder nicht?“ zu kommen:
    was wäre die Alternative zum Lockdown (gewesen)? Alles offen lassen? Alles weiter, wie bisher? … um noch mehr Tote zu riskieren? Schweden hat’s doch versucht. Versuch gescheitert!
    Oder hätten wir den „Tübinger Weg“ nehmen sollen? (Zitate original Boris Palmer)
    „Nicht nur Grundrechte einschränken“ (für alle), weil damit (alte) Menschen gerettet würden, “die in einem halben Jahr sowieso tot wären“. Diese Aussage halte ich für äußerst zynisch und verwerflich. Nur weil wissenschaftlich nicht erwiesen ist, ob Kitas und Grundschulen „keine Treiber der Pandemie“ sind. (stimmt! aber auch das Gegenteil ist nicht erwiesen) Ist aber irgentwie auch logisch: erstens sind Kinder von klein auf (neuen und unbekannten) Viren ausgesetzt. Zweitens: es wird (zu) wenig getestet. (das möchte ich aber auch nicht unbedingt und ständig jedem Kind zumuten) … aber weiter: also grundsätzlich gezielt die älteren Menschen besser schützen, in den Alten- und Pflegeheimen, und den Jugendlichen Freiheiten zugestehen … weil „die Bildungsbiografien der Jungen gebrochen werden.“!?!

    >>> „Von Anfang des aktuellen Lockdowns war es wieder mal nicht ersichtlich, wieso z. B. Restaurants schließen mussten. Mir ist bis heute keine Studie bekannt, die nachgewiesen hat, dass es dort zu einer besonders starken Verbreitung des Virus gekommen wäre. Dasselbe gilt für den Einzelhandel oder Hotels. Überall wurden aufwändige und oft auch teure Schutzkonzepte installiert, ….“
    Stimmt! „… „… bis heute keine Studie bekannt, die …“ … aber umgekehrt auch nicht.
    Grundsätzlich bleibt: niemand … aber auch wirklich NIEMAND (hierzulande) hatte je vorher eine Pandemie mit und durch gemacht, von daher konnte auch niemand vorhersagen, welche Maßnahme ob, wann und wie greift. Fast alles mußten die Verantwortlichen nach dem „Try and error“-Motto erarbeiten. Wissenschaft hatte in dieser Zeit einen hohen Stellenwert und viel Einfluß auf Politik. Trotzdem konnte Politik nicht immer nach wissenschaftlichen Kriterien entscheiden und handeln. Politik war in einem Dilemma: „Was wiegt höher und schwerer: die Gesundheit des Lebens oder der wirtschaftliche Erfolg?“ Es galt einen Mittelweg zu finden zwischen beiden Extremen. Und ich würde sagen, daß der zwar nicht immer zufriedenstellend war, aber im Großen und Ganzen hierzulande besser ausgefallen ist als anderswo. Trotzdem sind Fragen erlaubt.

    >>> „… hunderttausende von Menschen werden ihre Arbeitsplätze verlieren.“
    ich frage mich, ob ich, angesichts dessen, daß mit den schon bestehenden hygienischen Maßnahmen („AHA“-Regeln) die Ansteckungszahlen nicht sinken, weil diese vielleicht gegen neue Matanten wenig helfen (so’n Virus ist ja auch nicht blöd), ob ich angesicht dessen, das Risiko einer Ansteckung eingehen würde, nur weil ich einen Arbeitsplatzverlußt befürchte? Also, ich denke, ich wüßte wie ich mich entscheiden würde.

    >>> „… Corona ist gekommen, um zu bleiben. …. Dauer-Lockdown auf ewig …“
    Ersteres dürfte stimmen … vorerst. Das Zweite kann ich mir nun wiklich nicht vorstellen, aber … (siehe oben — Mittelweg : „Was wiegt höher und schwerer: die Gesundheit des Lebens oder der wirtschaftliche Erfolg?“)

    Ich gebe Dir in vielen … in fast allen Kritikpunkten Recht. Aber es ist so wie fast immer: Deine Gedankengänge sind mir zu kurz gesprungen … nicht zu Ende gedacht. Und vor allen Dingen: Du interpretierst etwa Studien anders.

    Ich lese aus Deinen Gedanken heraus, daß Du Dich fragst, warum etwa Länder wie Großbritannien (oder vielleicht könnte man auch die USA oder Russland nennen) … warum diese Länder schneller impfen und den Lockdown schneller herunterfahren (können) als etwa Deutschland (und vielleicht auch die EU)? Kann man machen … solche Gedanken sind legitim.
    Dies „schneller impfen und den Lockdown schneller herunterfahren“ dürfte aber wohl eher ideologisch zu begründen sein. Vielleicht wollte Johnson der EU und besonders der eigenen Bevölkerung zeigen, daß Großbritannien ohne die EU besser und schneller … effektiver voran kommt. Dafür hat er vielleicht die eigene Bevölkerung einem etwas höherem Risiko augesetzt, indem er den Impftstoff per „Notzulassung“ verpordnet hat. „Notzulassung“ – dürfte zumindest bei Impfgegner seltsam klingen. Die EU hat dagegen auf eine regulären Zulassung gesetzt, was vielleicht sicherer klingt.
    Selbiges dürfte einigermaßen für die USA gelten. Trump hat sich immer für den besseren Dealmaker gehaten … das swollte er allen beweisen.
    Russland, etwa, hat schlicht und einfach die Phase-3-Studie, bei der eine Impfstoff-Erprobung an einer großen Zahl von (freiwilligen) Erkrankten (mehrere Tausend) erfolgt – in sogenannten „Doppel-Blind-Studien“, … dies hat Russland aus der Klink kuzerhand in die Bevölkerung verschoben … also: die eigene Bevölkerung war schlichtweg Versuchskaninchen. Und nur um es dem Ausland mal so richtig zu zeigen! Hätte schlimm ausgehen können – zum Glück nicht!

    Like

Hinterlasse einen Kommentar