Immer wieder wurde in den letzten Monaten und Jahren über eine heimliche und gar nicht mal so kleine Einnahmequelle des deutschen Staates berichtet, die sogenannte „kalte Progression“.
Zunächst: Was ist hierunter zu verstehen? Wie vielleicht die meisten wissen, existiert in Deutschland ein progressiver Einkommenssteuersatz. Dies bedeutet also, je mehr Einkommen ich habe, desto höher wird der Anteil der zu entrichtenden Steuern. Die Erklärung der „kalten Progression“ ist nicht ganz so einfach. Vielfach werden in der Wissenschaft zunächst die Begriffe „Nominaleinkommen“ und „Realeinkommen“ definiert.
Nominaleinkommen sind das in Geld bewertete Einkommen ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Kaufkraft
Realeinkommen entspricht den Waren und Dienstleistungen, die man auf Grund der aktuellen Preise auch tatsächlich erwerben kann (s. hier).
Bekommt man nun eine Gehaltserhöhung, wandert man im Steuerdiagramm ein Stück weit die Kurve hinauf, zahlt also für das als absolute Zahl gesehene Einkommen höhere Steuern. Falls diese Erhöhung nur in Höhe der aktuellen Inflationsrate erfolgt, sinkt durch die gleichzeitig höhere Besteuerung folglich mein Nominaleinkommen, also das Geld, das ich im Verhältnis zum aktuellen Preisniveau tatsächlich ausgeben könnte.
Theoretisch müsste man also die prozentuale Besteuerung stets an die veränderten Einkommensniveaus anpassen, z. B., in dem man den Freibetrag erhöht und den restlichen Steuertarif auf Basis der absoluten Einkommenszahlen jeweils ein Stück „nach oben“ verschiebt, sodass der reale Steuersatz nicht ansteigt. Hierzu hat der „Bund der Steuerzahler“ eine gute Studie veröffentlicht (das PDF lässt sich hier finden).
Hier werden auch die gegenwärtigen sowie die zukünftigen Belastungen für die Steuerzahler dargestellt. Es handelt sich um Beträge um Milliardenhöhe, die z. B. im Jahr 2015 auf 12,2 Milliarden Euro extra für den Bund taxiert werden. Tendenz steigend für die Folgejahre, sollte die Bundesregierung nicht gegensteuern.
Der deutsche Staat ist wie ein Junkie, der süchtig nach Geld ist, und gleichzeitig nicht in der Lage ist, die immer größer werdenden Einnahmen sinnvoll zu investieren oder für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Andere Beispiele hatte ich im Blog hier schon genannt (z. B. Geld in die Infrastruktur statt in die Rente zu stecken – oder es nach Griechenland zu schicken).
Schließlich würden durch einen Abbau der kalten Progression vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden. So denkt die Politik aber nicht. Sie sieht vor allem die unauffälligen, bequem steigenden Mehreinnahmen, die dem dummen Bürger dann nicht sofort ins Auge springen. Schade nur, dass die Abschläge allmählich doch langsam wahrnehmbar werden. Naja, aber Bundeskanzlerin Merkel ist ja der Ansicht, damit eile es ja nicht so. In einigen Jahren könne man darüber nachdenken. Vielleicht. Falls der Staat gerade Geld übrig hat (s. hier).
Achja, über den „Solidaritätszuschlag“ spreche ich dann beim nächsten Mal… auch so eine Droge, die sich unser Staat nur höchst ungern wegnehmen lassen würde.