Das „Wir“-Gefühl und die Leitmedien (08.10.2020)

Derzeit geistert wieder mal sehr oft das Wort „Wir“ durch die deutschen Medien. „Wir“ müssen mehr zur Klimarettung beitragen, „wir“ müssen mehr finanzielle Unterstützung für die EU bereitstellen, „wir“ müssen mehr tun, um das Flüchtlingsproblem zu lösen, „wir“ müssen weniger Lebensmittel verschwenden, und und und…

Besonders seit 2015 scheint dieser Begriff quasi inflationär benutzt zu werden. Suggeriert werden hierdurch soll meiner Ansicht nach, dass hier die breite Bevölkerung hier in die Richtung eines vermeintlichen moralisch oder ethisch richtigen Konsens gelenkt werden sollen. Klar, man will sich ja nicht dem Verdacht aussetzen bei den Leitmedien, nicht die moralisch „gute“ Position zu unterstützen.

Das Problem dabei ist, dass bei diesen Positionen oft nicht feststeht, ob diese zum einen wirklich die Meinung der Bevölkerungsmehrheit widerspiegeln, und zum anderen, ob es sich hierbei nicht um ideologisch aufgeladene und somit wenig oder nicht-objektive Positionen handelt.

Gerade bei Vorhaben wie z. B. Energiewende im Rahmen der Weltklimarettung durch Deutschland im Alleingang spiegelt sich das sehr deutlich wider. Sollten hier kritische Nachfragen gestellt werden, ist man gleich gegen den moralisch richtigen Weg und somit auf der Seite der „Bösen“ und hat daher kein Mitspracherecht, selbst, wenn die Gegenargumente stichhaltig sein sollten. Das hat natürlich dann auch Auswirkungen auf die Politik.

Mein persönlicher Blickwinkel: Ich fühle mich seitens dieser Art der Berichterstattung oft in eine bestimmte Richtung gedrängt oder in eine Ecke gestellt, wenn ich diese vermeintlichen Mainstream-Meinungen nicht mit trage. Übrigens ist es auch sehr einfach, nach dem Kohleausstieg zu schreien, solange sich noch keine direkten Konsequenzen zeigen (z. B. unsichere Energieversorgung, steigende Strompreise, wegfallende Arbeitsplätze bei den Kraftwerken und Braunkohle-Tagebauen) – das sei hier an dieser Stelle z. B. an die „Fridays for Future“-Bewegung gerichtet. Mehr Objektivität und kritische Distanz täte vielen Leitmedien gut. Ich finde es aus journalistischer Perspektive verwerflich, wenn man, wie z. B. der „Stern“, sich ohne jede kritische Distanz jetzt auf die „FfF“-Seite stellt – damit hat man meiner Ansicht nach den kritischen Journalismus, der möglichst ideologiefrei sein sollte, über Bord geworfen.

Es ist nicht die Aufgabe der Leitmedien, Meinung zu machen, sondern primär die kritische Berichterstattung im Sinne der „vierten Gewalt“ im Staate. Ich lasse mich hierdurch nicht in die Richtung eines moralischen „Wirs“ drängen, denn was moralisch gesehen gut oder schlecht, falsch oder richtig ist, sollte ein mündiges Individuum für sich selbst definieren können und müssen.