Fußball im Abseits (13.04.2020)

In Zeiten der Corona-Krise, innerhalb derer sich für viele Menschen die Prioritäten verschoben haben, scheint die bunte Welt des Profi-Fußballs zumindest in größeren Teilen weiterhin nur um sich selbst zu kreisen. Schließlich hört man die immer drängenderen Fragen von dort, wann es denn mit den jeweiligen Saisons in England, Spanien, Deutschland und Italien, um die wichtigsten zu nennen, weitergehen möge?

Ansonsten sei für viele Clubs das finanzielle Überleben nicht mehr gewährleistet. Nun gut, viele der dort angestellten Spieler verzichten, wenn auch teilweise widerwillig, auf Teile ihrer fürstlichen Gehälter oder spenden an Bedürftige. Bei den Vereinen zeichnet sich insgesamt keine einheitliche Marschroute ab, es wird vielmehr überlegt, wie man die Saisons auch ohne Zuschauer, in Form von „Geisterspielen“, zumindest per TV übertragen könnte, um somit die Fernseheinnahmen zu sichern. Das spiegelt dann auch irgendwo den Stellenwert wider, den der Stadionbesucher, oft somit der „gemeine Fan“, für die großen Vereine heute noch hat.

Ich muss sagen, dass ich in Deutschland der 1. Liga schon lange den Rücken gekehrt habe. Zum einen, da kaum noch deutsche Spieler (mit wenigen Ausnahmen) bei den dortigen Vereinen spielen und mir daher das Identifikationspotenzial fehlt. Altmodisch, ich weiß. Zum anderen finde ich die Entwicklung in den Profiligen in Deutschland im Speziellen und in Europa im Allgemeinen schon lange abstoßend und sittenwidrig, vor allem, was Gehälter und Transfersummen angeht.

Wenn man sich so die Einkommen der am besten bezahlten Fußballer anschaut, fragt man sich dann doch, gerade in Zeiten der Corona-Krise, ob diese auch nur ansatzweise gerechtfertigt sind? Allgemein unterliegen die Gehälter der Geheimhaltung, Statista liefert daher auch nur die folgenden Daten (vgl. hier):

Messi: Jahresgehalt: 92 Mill. Euro (+ Werbeeinnahmen: 35 Millionen Euro)

C. Ronaldo: Jahresgehalt: 65 Millionen Euro (+ Werbeeinnahmen: 44 Millionen Euro)

Neymar: Jahresgehalt: 75 Millionen Euro (+ Werbeeinnahmen: 30 Millionen Euro).

Schaut man sich dann noch die Transfersummen an, die so umgesetzt werden, denkt man wirklich, dass dieser „Sport“ schon lange die Bodenhaftung verloren hat, hier mal die Top 5 der Transfersummen der letzten Jahre:

  • Für Neymar (Saison 2017/18): 222 Millionen Euro.
  • Für Mbappe (Saison 2018/19): 145 Millionen Euro.
  • Für Coutinho (Saison 2017/18): 145 Millonen Euro.
  • Für Felix (Saison 2018/19): 126 Millionen Euro.
  • Für Dembele (Saison 2017/18): 125 Millionen Euro.

Für mich nur noch etwas zwischen „abartig“ und „sittenwidrig“, ähnlich, wie ich auch die Bonuszahlungen mancher Banken an ihre Manager sehe, aber das ist ein anderes Thema.

Hat Fußball, dieser, objektiv betrachtet, lediglich ein simples Spiel abbildende Sportart, wirklich eine derartige Bedeutung, dass es rechtfertigt, einer relativ kleinen Gruppe von Menschen dermaßen viel Geld zukommen zu lassen? Natürlich sind da auch und vor allem die Zuschauer schuld, die sich die teuren TV-Abos in den diversen Pay-TV-Angeboten aufschwatzen lassen – aber ist es eine Sportart „wert“, dass dort dermaßen viel Geld reingepumpt wird? Zumal dieses Geld ja nur einer relativ kleinen Gruppe superreicher Vereine zugute kommt.

Dazu kommt das Problem, dass einige dieser superreichen Vereine inzwischen nur noch die Spielzeuge einiger verwöhnter Milliardäre sind. Zu nennen wären hier z. B. der FC Chelsea (gehört einem gewissen Abramowitsch), Paris St. Germain (gehört Scheichs aus Qatar) oder auch Juventus Turin (gehört der Industriellen-Familie der Agnadellis). „Fincal Fairplay“? Ich lache mich tot, wenn ich mir z. B. anschaue, was Chelsea und Paris seit ihrer jeweiligen Übernahme an Transfersummen rausgehauen haben…

Die Spirale der Gehälter und Transfersummen sowie der TV-Einnahmen hat sich in den letzten Jahren immer schneller und schneller gedreht. Man hat fast den Eindruck, die Spieler wissen bald gar nicht mehr, wohin mit dem vielen Geld, das sie verdienen. Verdienen tuen sie es meiner Ansicht nach nicht wirklich, dafür ist dieser Sport an sich eben zu trivial, eben nur ein Sport. Die Fans, die die Vereine einstmals getragen haben, sind, vor allem für die superreichen Vereine, zudem inzwischen allenfalls noch schmückendes Beiwerk, aber finanziell eher unbedeutend und werden inzwischen auch oft so behandelt.

In Europa hat sich längst für die superreichen Vereine die „Champions League“ etabliert, wo die Reichen meist unter sich sind und nochmal viele Millionen extra über TV-Gelder verdienen können. Für den FC Bayern, der bereits fast seit einem Jahrzehnt, auch aufgrund seiner finanziellen Hegemonie, die Bundesliga dominiert, ist die deutsche Meisterschaft inzwischen fast vollkommen unwichtig geworden, nur noch der CL-Titel interessiert. Armselig. Das ganze Geschehen hat sich inzwischen so weit von den Idealen des Leistungssports entfernt, wie es nur geht. Die großen Clubs sind nur noch Fußballkonzerne, deren einziges Interesse ist, noch mehr von ihrer „Ware“ zu verkaufen und immer noch mehr und mehr Geld in die Kasse zu bekommen.

Von daher betrachte ich die aktuelle Situation mit einer gewissen Schadenfreude, denn jetzt kommen gerade die Vereine, die besonders mit Millionen um sich werfen, in Schwierigkeiten, denn die Einnahmen brechen weg, wohingegen die astronomischen Spielergehälter weitergezahlt werden müssen. Daher auch die zunehmend verzweifelt wirkenden Versuche, den Spielbetrieb wieder aufnehmen zu dürfen, und wenn es auch nur in Form von Geisterspielen wäre…

In diesem Punkt wünsche ich mir jetzt fast, dass die Krise noch etwas andauert, und ein paar von den „Großen“ stürzen… nicht umsonst ist man in der Bundesliga in Deutschland ja immer so begeistert, wenn es ab und zu mal ein „finanzschwacher“ Verein in die 1. Liga schafft und manchmal sogar, sich dort festzusetzen (momentan z. B. Union Berlin). Wenn man das in Deutschland so toll findet, dann sollte man vielleicht auch mal an einer gerechteren Verteilung des offenbar im Überfluss vorhandenen Geldes denken – denn sonst geht es so weiter, wie in den letzten Jahren: Eine Gruppe von reichen Vereinen setzt sich immer weiter ab, finanziell wie auch von den sportlichen Erfolgen, und für kleinere Vereine wird es immer schwerer, diese Dominanz zu durchbrechen. In der 1. Liga herrscht schon seit langer Zeit Langeweile, jedenfalls am oberen Ende der Tabelle…

Im Bereich der Nationalmannschaften sieht es leider auch nicht besser aus, die FIFA ist dermaßen korrupt und das auch noch so offensichtlich, dass es weh tut, jegliche Art von Wettbewerbsvergabe dort zu verfolgen (z. B. WM in Katar, bis heute der größte Witz). Die UEFA folgt der FIFA bis jetzt meistens handzahm, na klar, auch dort gibt es gut Geld zu verdienen…

Nun, was soll ich sagen… „Fußball-Romantiker“, die sich einen geerdeteren Sport wünschen, sind offenbar in der Minderzahl, sonst hätte das System nicht bis vor kurzem funktioniert. Aber vielleicht ändert es sich ja jetzt. Krisen führen ja oft zu Veränderungen. Ich bin gespannt… andere Berufe demonstrieren gerade ihre Unverzichtbarkeit – das ist Fußball nicht. Und er wird auch nicht durch staatliche Hilfen gerettet werden.